Zur Situation der Straßenkatzen im Raum Schelklingen

Das unsichtbare Leiden

Schelklingen im September 2024

Ein ortsansässiger Landwirt entdeckt eine ihm fremde Katze, die sich offensichtlich eine seiner Stallungen als Kinderstube für Ihr Babys auserkoren hat. Auf seine Bitte hin und mit seiner Unterstützung konnten acht (!) Katzenwelpen und das Muttertier gesichert werden. Sie befinden sich jetzt in der Obhut des Tierheims Ulm und sind, auf Grund fehlender Plätze im Tierheim, auf einer Pflegestelle untergebracht.

Die Kitten mögen auf den Bildern süß und gesund aussehen, befinden sich jedoch aktuell alle, ebenso wie das Muttertier, in tierärztlicher Behandlung. Ein besonderes Problem stellen hier Infektionen und Parasitenbefall dar. Es muss davon ausgegangen werden, dass zumindest einige der kleinen Kätzchen die kommenden Tage nicht überlebt hätten. Ohne den Einsatz von privaten Helfern, die dafür einen großen Teil ihrer Freizeit opfern und z.T. auch finanziell in die Bresche springen, wäre diese Rettung nicht möglich gewesen.

Aber das ist doch ein Einzelfall? Oder?

Ein Einzelfall? Nein

Das Leiden der Straßenkatzen

Wieso sehe ich nichts davon?

Die Antwort ist leider so einfach wie tragisch: Straßenkatzen leben versteckt und zurückgezogen. Sie meiden menschlichen Kontakt und bringen ihre Jungen an gut versteckten Plätzen zur Welt. Für uns nicht sichtbar leiden sie dort an Hunger, Kälte und Infektionskrankheiten.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es sich hier per Definition nicht um Wildtiere handelt. Es sind domestizierte Haustiere, die an irgendeinem Punkt ihres Lebens, aus welchen Gründen auch immer, sich selbst überlassen wurden. Daraus kann nur gefolgert werden, dass wir als Menschen hier Verantwortung übernehmen müssen.


Zahlen und Fakten

Der deutsche Tierschutzbund geht in seinem großen Katzenreport davon aus, dass in Deutschland rund 2 Millionen Straßenkatzen leben. Während Hauskatzen eine Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren haben, liegt diese bei auf der Straße geborenen Katzen bei nur wenigen Monaten. Die Sterberate von Kitten ist erschreckend hoch: „Bis zu 75% erreichen nicht den 6. Lebensmonat, davon sterben 48% bevor sie 100 Tage alt sind“ (Schröder, K. 2015, Populationsmanagement frei lebender Katzen. Der Praktische Tierarzt 96: S. 573-575).

Nach den Daten des Industrieverbands Heimtierbedarf leben aktuell 15,7 Mio. Katzen in deutschen Haushalten. Laut einer repräsentativen Umfrage des deutschen Tierschutzbundes sind 10% (also 1,57 Mio) dieser Tiere nicht kastriert, die als ein maßgeblicher Treiber der Population von Straßenkatzen gesehen werden.

Um die Dynamik der Vermehrung von Katzen zu verdeutlichen hier ein Schaubild:

Rechnerisch mögliche Vermehrung eines Katzenpaars innerhalb von sechs Jahren (Eigene Darstellung)

Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Dieses Schaubild stellt das rechnerisch Mögliche dar. Im wahren Leben sterben die meisten dieser Katzenjungen einen qualvollen und unentdeckten Tod.


Haustiere und Vögel

Neben dem bereits geschilderten Leiden, das die aktuelle Situation für Straßenkatzen verursacht, birgt diese auch noch Risiken außerhalb dieser Population.

Wie schon geschildert sind Infektionskrankheiten ein großes Problem. Es besteht die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass diese auf Haustiere übertragen werden können.

Straßenkatzen sind gezwungen, ihren Nahrungsbedarf durch die Jagd auf Kleintiere zu decken. Dies bedeutet eine weitere Gefahr für unsere z.T. sowieso schon bedrohten Vogelarten. Dieser Problematik kann aus Sicht des NABU nur mit einem umfassenden Programm zur Sterilisation aller verwilderten Hauskatzen in Kombination mit einer entsprechenden Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Hauskatzen mit Freigang entgegengetreten werden.

Was nötig ist – Sofortmaßnahmen bei uns vor Ort

1. Wohnortnahe tierärztliche Versorgung von Fundtieren (Update)

Wir hatten im ursprünglichen Beitrag berichtet, dass die Übernahme der Kosten an die Behandlung durch Vertragstierärzte des Tierheims Ulm gebunden ist.

Wir haben hierzu zwischenzeitlich eine Rückmeldung der Stadt Schelklingen erhalten. Die wie folgt lautet: „Die Aussage, dass Tierarztrechnungen vom Tierarzt in Schelklingen nicht übernommen werden ist falsch. Welcher Tierarzt die Behandlung durchführt ist für die Kostenübernahme nicht relevant.“

Wir danken der Stadt Schelklingen für diese Richtigstellung. Gerne haben wir dies hier korrigiert. Heißt dies doch, dass die Arbeit vor Ort deutlich vereinfacht wird.


2. Fortführung der Zusammenarbeit mit Tierschutzverbänden

Aktuell hat die Stadt Schelklingen einen Fundtiervertrag mit dem Tierheim Ulm, der am 31. Dezember diesen Jahres ausläuft.

Die Stadt Schelklingen muss diesen Vertag verlängern oder einen Vertag mit einem anderen Partner schließen.

Sollte es keinen solchen Vertrag geben, werden Menschen es ich mit Sicherheit zweimal überlegen, sich um ein Fundtier zu kümmern, da die Finder per Gesetz verpflichtet sind die „Fundsache“ zu verwahren und alle zum Erhalt erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Andererseits ist der Finder lt. § 967 BGB berechtigt ebendiese „Fundsache“ bei der zuständigen Behörde abzugeben. Es darf bezweifelt werden das die Stadt Schelklingen das wirklich will. Ein entsprechender Vertrag würde hier Verfahrens- und Rechtssicherheit schaffen.


3. Erlass einer Katzenschutzverordnung

Bis zur Einführung einer bundeseinheitlichen Regelung für mehr Katzenschutz ist die Stadt Schelklingen aufgefordert, zeitnah eine Katzenschutzverordnung auf Basis des §13b Tierschutzgesetz zu erlassen. In Baden-Württemberg wurde bereits von 56 Gemeinden eine solche Verordnung erlassen. Schelklingen sollte sich hier dringend anschließen.

Nicht nur würde hierdurch das Leid der Straßenkatzen gemindert, es würde gleichzeitig mittelfristig die durch die Stadt Schelklingen zu tragenden Kosten für deren Versorgung mindern.

Die nachhaltige Lösung

Grundgesetz Artikel 20a – Schutz des Tieres als Staatsziel

Ein Gutachten der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. kommt zu dem Schluss, dass eine bundeseinheitliche Regelung für mehr Katzenschutz möglich ist und empfiehlt die Umsetzung. „Es muss nicht gewartet werden, bis bereits Schmerzen, Leiden und Schäden entstanden sind. Weiter ist das einzelne Tier nicht weniger wert als eine Population. Tierschutz im Sinne des Art. 20a GG erfordert bereits den Schutz des einzelnen Tieres.“

Leider ist eine bundesweite Regelung in naher Zukunft nicht zu erwarten. Umso wichtiger ist es auf kommunaler Ebene aktiv zu werden und dem Leiden ein Ende zu bereiten.